Porsches guter RUF
Test Porsche 911 SC RUF
An Fahrwerk und Motor modifizierter Heckmotorsportwagen
Seitdem die kernigen "Elfer" im Modell-Programm des Hauses
Porsche nur mehr Randerscheinungen sind, fühlen sich gerade die
treuesten Kunden der Zuffenhausener Sportwagen-Manufaktur im
Stich gelassen.
Selbst der letzte Überlebende der seit 1963 gebauten Elfer-Reihe
gibt den Gußeisernen (Posche-Chef Professor Ernst Fuhrmann)
Anlaß zur Kritik: "Man könnte geradezu den Eindruck gewinnen,
Porsche habe den letzten 911 degeneriert, um sein Ableben zu
beschleunigen. Der SC ist langsamer, er liegt schlechter und
verbraucht mehr als seine Vorläufer."
Der so herbe urteilt, huldigt "seiner" Marke seit den fünfziger
Jahren, besaß bisher sechs Heckmotor-Porsche und will nicht
namentlich genannt werden. Und er ist Kunde bei Alois Ruf im
bayerischen Pfaffenhausen.
Bis noch vor kurzem allenfalls eingeweihten Porsche-Fans
bekannt, machte der Süddeutsche Tuner erstmals im vergangenen
Jahr auf sich aufmerksam, als er Auto-Motor und Sport einen 3.3
Liter-Turbo zur Verfügung stellte (Auto Motor und Sport
22/1977), noch ehe Porsche selbst eine ähnliche
Hubraumaufstockung vornahm.
Gab Alois Ruf damit der Firma Porsche noch Anlaß zum Schmollen,
so verlegt er sich mit seiner neuesten Kreation auf ein Gebiet,
wo Porsche zumindest augenblicklich keine offenkundigen
Aktivitäten zeigt. Ruf: "Ich wollte als Alternative zu den
Autobahn-Boliden 928 und 924 eine kernige Fahrmaschine
bauen,
die ihren Fahrer zwar fordert, aber dafür Fahrspaß bietet."
Teurer als ein 928 sollte die neue Ruf-Nummer freilich nicht
geraten, weshalb der Bayer statt des Turbo ein schlichtes
SC-Coupé zur Ausgangsbasis seines Tunens wählte.
Nach Art des Hauses kleidete Ruf auch seinen "SC/R"
zurückhaltend schlicht - und sorgt gerade damit für eine
besonders eindrucksvolle Erscheinung. Denn der in sattem Grün
lackierte Porsche kann so rein technisch motivierte Effekte
ausspielen: Die im Kotflügelbereich völlig serienmäßige
SC-Karosserie liegt nämlich gegenüber der Serie um gut vier
Zentimeter tiefer, die Motorhaube wird vom ausladenden Spoiler
der alten Dreiliter-Turbo´s gekrönt und die Frontansicht erhält
ihre Prägung von einem Spezial-Spoiler, den Ruf selbst
entwickelte und dem TÜV vorführte.
Vorzug
der Ruf-Frontschaufel: Im kastenförmigen Mittelteil hat ein 0,75
Liter fassender, aufwendig verrippter Ölkühler Platz, zugleich
kann die Serien-Stoßstange beibehalten werden. Dass der
bayerische Tuner von seiner aus-ladenden Luftschürze größere
Stückzahlen verkaufen wird, liegt jedoch nicht allein am
gelungenen Design, sondern auch daran, dass der Verschleiß dank
allerorten möglicher Abnutzung hoch sein dürfte: Da der Spoiler
vor allem in Verbindung mit der tiefer gesetzten Karosserie nur
wenig Bodenfreiheit lässt, liefern nachlässige Piloten schon an
normalen Bordsteinkanten Lackproben ab.
Wer sich indes für das Ruf-Fahrgerät entscheidet, der muss neben
fahrerischer Sorgfalt gleichermaßen jenen Überschuss
Enthusiasmus mitbringen, der frühere Porsche RS-Piloten
auszeichnete. Denn auch im Cockpit wurde Alois Ruf dem selbst
gestellten Anspruch gerecht, eine "reine Fahrmaschine" zu
präsentieren. Teppichboden sucht man im Ruf-Porsche vergebens,
dessen Aufgabe übernehmen wie in den alten RS-Porsche wohl
eingepasste Gummimatten.
Die
Türverkleidungen entbehren sowohl des Dämmaterials als auch der
Armstützen oder ziviler Türgriffe. An die Stelle der
serienmäßigen, luxuriös erscheinenden Türblenden traten
funktionell-kahle Bespannungen aus schwarzem Nadelfilz, deren
optisch herausragendes Utensil, eine rote Lederschlaufe, zum
Türöffnen dient - genau wie im RS. Rennschalensitze und
ausgesprochen praktische, unter dem Rückfenster angelenkte
Hosenträger-Automatikgurte von Autoflug ergänzen die bayerische
RS-Replique.
Kaum weniger rigoros ging Alois Ruf im Motorraum vor: Er
amputierte zunächst einmal die im SC erstmals eingebaute
Abgas-Luftpumpe, die nicht nur zur relativen Abgas-Entgiftung
beiträgt, sondern ärgerlicherweise auch an der Leistung des
Sechszylinder-Boxers zehrt, muss sie doch von ihm über einen
Keilriemen angetrieben werden. Will man Alois Ruf Glauben
schenken, besteht der Motor die in Deutschland vorgeschriebene
Abgasprüfung auch ohne Pumpe.
Ein nächster Schritt zur Mehrleistung galt dem Hubraum. Ruf
bohrte dabei die Zylinder um drei mm auf 98 mm auf und erhält so
3185 ccm (SC: 2994 ccm). Der notwendige Kolbenwechsel wurde
zugleich zur Verdichtungs-Erhöhung genutzt. So komprimiert der
modifizierte Treibsatz das Gemisch im Verhältnis 9,8 : 1 (Serien-SC:
8,5 : 1) und benötigt deshalb im Gegensatz zur Zuffenhausener
Urfassung Super-Benzin.
Ruf-Piloten kann dies nur recht sein: Denn während der SC im
Gegensatz
zu seinen Vorgängern dem Kraftstoff besonders freudig zuspricht,
gibt sich der stärkere, aber mit besserem Wirkungsgrad versehene
Ruf-SC zurückhaltender: Er verbrauchte bei höheren
Fahrleistungen 17,3 Liter pro 100 km (Serien-SC: 18,1 Liter) und
mit etwas Vollgas-Abstinenz lassen sich auch 15-Liter-Verbräuche
realisieren.
Für einen zügigen Ausstoß der Verbrennungsrückstände sorgt im
übrigen eine von Alois Ruf entwickelte Spezial-Auspuffanlage,
die optisch am zweiten Endrohr und akustisch an noch markanterem
Trompeten zu erkennen ist.
Das Ergebnis der rund 5500 Mark teuren Ruf-Motorkur kann sich
sehen lassen: Der von den 180 PS (132,5 kW) des Serien-SC auf
215 PS (158 kW) erstarkte Boxer beschleunigt den Bayern-Porsche
in einer Art und Weise, die selbst turbo-Piloten Hochachtung
abzwingt. Denn während diese nach anfänglich eher träger
Kraftentfaltung mit jener urplötzlichen Leistungsexplosion
rechnen müssen, die für den turbo so typisch ist und gerade in
Kurven Probleme aufgibt, können sich Ruf-Fahrer schon bei
niedrigen Drehzahlen dem bereits legendären Porsche-Fußtritt
aussetzen.
Tatsächlich wartet das Ruf-Kraftwerk mit einem Maß an
Elastizität auf, das seinesgleichen sucht: Schub, wo man
hintritt, und wer den Beschleunigungsakt in der untersten Stufe
beginnt, hat zumindest in den ersten Gängen Hantierungsprobleme
am Schalthebel.
Daß die Temperamentausbrüche im Bereich über 200 km/h im
Vergleich zum turbo weniger brachial ausfallen, liegt an der von
Alois Ruf gewählten Übersetzungs-Abstimmung: Der lange fünfte
Gang soll nämlich die Höchstgeschwindigkeit des getunten SC in
turbo-Bereiche zwingen und das vorzeitige Abriegeln des
Drehzahlbegrenzers (bei 6800 U/min) verhindern. Ein Vorhaben,
welches mit über 255 km/h auch glückte.
Dank des von Ruf anstelle der serienmäßigen
Radkasten-Kühlschlange im Frontspoiler installierten Ölkühlers
wird es der getunten Maschine auch bei forcierter Fahrt nicht zu
heiß. Müssen SC-Fahrer auf der Autobahn mit 120° Celsius
Öltemperatur leben, so vermag auch anhaltende Vollgasfahrt den
Thermometer-Zeiger im Ruf-Porsche nicht
über die 90°-Marke zu zwingen. Und auf gewundenen Landstraßen,
dem eigentlichen Element des Ruf-Porsche, kann sich der Pilot
voll auf das Eigenlenkverhalten seiner Fahrmaschine
konzentrieren - die Öltemperatur verharrt hier bei konstanten
80°.
Mit Bilstein-Stoßdämpfern, der turbo-Bereifung 205/55 VR 16 vorn
bzw. 225/50 VR 16 hinten sowie einer 80% Differentialsperre
sorgte Alois Ruf zudem für eine leistungsgerechtes
Straßenlagen-Potential: Dabei ging der SC-Fahrkomfort zwar
verloren, doch wird dies das anvisierte Publikum ebensowenig
stören wie die unter Last infernalische Geräuschkulisse. Es
vergnügt sich nämlich mit anderen Qualitäten.
So lassen sich mit dem modifizierten Porsche
Kurvengeschwindigkeiten erfahren, die bislang Rennautos
vorbehalten blieben, und die nach kurzer Zeit zur Strapaze für
die Nackenmuskulatur geraten. Routine im Umgang mit
Heckmotorautos ist dafür freilich vonnöten. Denn während der
Ruf-SC im Kurveneingang zunächst vorn fast erschreckend leicht
aushebt und von den mit hochprozentiger Sperrwirkung versehenen
Antriebsrädern geradeaus gedrängt wird, läßt er sich erst durch
beherzten, aber feinfühligen Gaseinsatz neutralisieren. Wer die
Ecke möglichst schnell umrunden will, belässt es bei der so
provozierten gleichmäßigen Abdrift an Vorder- und Hinterachse.
Noch mehr Vergnügen bereitet es indes, den gebotenen
Kraftüberschuss zur Querfahrt zu nutzen. Ein Vergnügen, welches
der Ruf - in Maßen genossen - mit Gutmütigkeit quittiert.
Dennoch: Wer des Guten zuviel tut, der muss mit einem geradezu
schlagartigen Abbruch der Seitenführung an der Hinterhand
rechnen. Dies macht den Ruf-Porsche
einzig und allein für solche Sportwagen-Freunde zur lohnenden
und vor allem verantwortungsbewussten Investition, die ihr
fahrerisches Vermögen in Generationen Zuffenhausener
Heckmotor-Boliden erworben haben. Für Porsche-Traditionalisten
also, denen das Stuttgarter Stammwerk heute nicht mehr das zu
bieten vermag, was sie vom Carrera 2 bis zum Carrera RS gewohnt
waren.
Jene treuesten unter den Porsche-Käufern bleiben den
Zuffenhausenern somit erhalten. Sie können weiterhin ihren
Porsche "natur" bezwingen, so wie Ferry ihn einst schuf.
Porsches guter Ruf bleibt damit auch für die "Gußeisernen"
gewahrt.
Text: ?
Fotos: ?
Auto-Motor-Sport 1978 Heft 13
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