Der Porsche 901
stellt den Anspruch, zur Spitzenklasse unter den Automobilen
gezählt
zu werden. Sein Preis von 23.900,00 DM liegt über dem des
Mercedes 230 SL. Die Produktion soll im Herbst beginnen. Als
erste Automobilzeitschrift der Welt fuhr Auto, Motor und Sport
einen der wenigen bisher vorhandenen Vorserienwagen.
Merkwürdig, aber wahr: Es ist das erste Mal in der Geschichte
des Hauses Porsche, dass ein für den normalen Markt bestimmter
Wagen neu entwickelt und zur Produktion vorbereitet wird. Was
bisher als "der Porsche" bekannt war, nämlich der Typ 356, war
ursprünglich nicht als geschäftliches Objekt gedacht. Dieser
Porsche war ein Kind der Notzeit und der Freude am Konstruieren:
ein Sportwagen aus VW-Teilen, von dem nur einige wenige
Exemplare gebaut werden sollten. Erst wegen der nicht mehr
nach-lassenden Nachfrage wurde die kleine Produktion
eingerichtet, deren Stückzahlen nach industriellen Begriffen
auch heute noch winzig sind. Porsches großer Vorteil liegt
darin, dass die Wagen über das VW-Händlernetz verkauft und
betreut werden können, obwohl der Wagen fast keine VW-Teile mehr
enthält. Keine andere reine Sportwagenfirma kann ihren Kunden
einen so weit verbreiteten Service bieten.
Reine Sportwagenhersteller - das sind neben Porsche zum Beispiel
Ferrari, Maserati, Aston Martin. Weitaus die meisten übrigen
Sportwagenmarken sind Anhängsel großer Automobilfirmen, die
viele Teile ihrer Sportwagen aus der normalen Produktion
entnehmen können. Das gilt für den meistgekauften Sportwagen der
Welt, den MGB,
ebenso wie für die Chevrolet Corvette oder den Mercedes 230 SL.
Darum ist es auch nicht ganz richtig, den Porsche 901 preislich
mit dem 230 SL zu vergleichen. Motor und Fahrgestell des 230 SL
entsprechen den Serien-Personenwagen, der 901 dagegen ist eine
exklusive Konstruktion, die - ein seltenes Ereignis im modernen
Automobilbau - Stück für Stück neu ist. Kein Wunder, dass er,
obwohl in
Leistung und konstruktivem Aufwand ungefähr dem 230 SL
entsprechend, teurer sein muss.
Das Porsche-Typische an diesem Wagen liegt in ideellen
Merkmalen: Luftgekühlter Boxer-Heckmotor, Drehstab-federung. Von
diesen beiden Gedanken ging man nicht ab, andere dagegen
wurden aufgegeben: Die Rad-aufhängung an Kurbelarmen, die
Pendel-Hinterachse. Beibehalten wurden die Form der Karosserie,
und daran dürfte es liegen, dass der 901 auch von Laien auf den
ersten Blick als ein Porsche identifiziert wird. Die
Karosserie-form kann man als greifbaren Beweis dafür ansehen,
daß die schöpferische Begabung auch in der dritten
Porsche-Generation noch nicht ausgestorben ist. Es ist wiederum
ein Ferdinand, der sie gemacht hat, Enkel des Klempnersohns aus
dem Böhmischen Wald. Nicht nur von Talent zeugt die Form,
sondern auch von genauer Kenntnis der Gesetze dessen, was man
heute "Styling" nennt, aber besser mit Gestaltung übersetzt. Es
ist eine saubere Arbeit, deren Entstehen Jahre in Anspruch
genommen hat. Die Aufgabe, einen echten Porsche zu bauen, der
zugleich in der Form ein modernes Automobil ist, läßt sich wohl
kaum noch überzeugender lösen. Es ist keine Spur von
Manieriertheit an dem ganzen Auto zu entdecken, kein Haschen
nach kurzlebigen Effekten. Manche Formen verlieren, wenn man sie
aus dem Neonlicht der Salons in die nüchtere Straßenumgebung
bringt. Der 901
gewinnt eher; er wirkt klar, einfach und schnell. Zwar kann es
keine lohnendere Aufgabe für einen Gestalter geben als einen
solchen Sportwagen, trotzdem aber sind schon viele daran
gescheitert. Zu dieser Karosserie muss man gratulieren.
In dem jetzigen Preis von 23900 DM sind eine Menge
Ausstattungsdetails enthalten, die über das Notwendige
hinausgehen: Holzlenkrad, Ganzlederpolsterung, Velourteppiche,
Chromfelgen. Dazu gehört auch eine Webasto Standheizung, über
deren Notwendigkeit wir noch nichts sagen können, weil in dem
von uns gefahrenen Wagen die serienmäßig vorgesehene
Motorheizung noch nicht eingebaut war. Die Webasto Heizung läuft
ziemlich laut und läßt sich nicht regulieren, sie ist
hauptsächlich als Zusatzheizung bei kaltem Wetter gedacht. Es
ist geplant, eine vereinfachte Ausführung des 901 ohne diese
Extras anzubieten, die etwa 2000 DM billiger sein wird. Sie
würde dann in Lenkrad und Ausstattung den Vierzylindermodellen
entsprechen.
Unter der Vorderhaube ist beim 901 viel mehr Platz als beim
356, da
die Querlenker weniger Raum beanspruchen als die alte
Kurbel-Vorderachse. Am Motor sind nicht nur die Vergaser,
sondern auch
die Zündkerzen sehr gut zugänglich. Armaturenbrett und Lenkrad
wurden
gegenüber der in Frankfurt gezeigten Ausführung geändert. Auf
den
hinteren Notsitzen steht etwas mehr Knieraum zur Verfügung als
beim
Typ 356, dagegen ist der Kopfraum dort sehr knapp.
Einige Dinge, die
zu den beiden Ausführungen gehören, müssen erwähnt werden:
dosierbare Frischluft kann durch die Öffnung vor der
Windschutzscheibe und durch die Motorheizung hereingebracht
werden, Schlitze oberhalb der Heckscheibe sorgen dafür, daß auch
bei geschlossenen Fenstern die Luft umgesetzt wird. In zwei
Hebeln am Lenkrad sind eine Menge Funktionen zusammengefasst:
links Blinker, Lichthupe, Abblendlicht und Parklicht, rechts
Scheibenwischer und Wascher. Dieser Wischerhebel kann durch
Hochdrücken drei verschiedene Geschwindigkeiten einschalten,
beim Anziehen betätigt er zunächst die Wischer und dann die
Wascher. Wir fuhren viel bei Regen und empfanden diese Anlage
als das Beste, was wir bisher auf diesem Gebiet gesehen haben.
Der Mercedes 230 SL hat eine ähnliche Wischerbetätigung, bei den
meisten übrigen Wagen muß man sich den Wischerschalter noch am
Armaturenbrett suchen.
Dort wurden beim 901 lediglich der Lichtschalter und die
Luftregulierung angebracht. Die Instrumentierung hat sich
gegenüber der in Frankfurt gezeigten Ausführung noch geändert
und enthält nun fünf runde
Uhren: Anzeige für Benzin- und Ölstand (der 901 hat
Trockensumpfschmierung, das Öl befindet sich in einem separaten
Tank), Ölt-emperatur und Öldruck, Drehzahlmesser, Tachomoter,
elektrische Zeituhr. Wie bei den Viezylindern gehören Liegesitze
zur Serienausstattung, die hintere Gepäckablage enthält wieder
zwei Notsitze, der hintere Fußraum wurde um 5 cm vergrößert.
Trotzdem kann erwachsenen Leuten das Fahren auf diesen Sitzen
nur für kurze Zeit zugemutet werden, denn auch die Kopfhöhe
reicht nicht aus. Der vordere Gepäckraum ist viel größer als
beim 356, zwei Personen können in diesem Auto viel Gepäck
mitnehmen, ohne noch etwas aufs Dach oder auf das Heck schnallen
zu müssen. Bei den Vorserienwagen wurde der Bugraum noch durch
die Standheizung beeinträchtigt, sie soll künftig versenkt
eingebaut werden an einer Stelle, wo sich jetzt noch die
Batterie befindet. Die Batterie kommt dann weiter nach vorn, was
bei Zusammenstößen nicht ganz ungefährlich ist, weil sich auch
der Tank weiter vorn befindet als beim 356.
Der ganze Wagen ist etwas schmaler und etwas länger als der Typ
356, was seinem Aussehen zugute kommt. Der Radstand wurde um 10
cm verlängert, ist aber mit 2,20 m immer noch um
20 cm kürzer als beim 230 SL. Wie schon beim 256 sind die
Überhänge vorn und hinten recht lang, die Gesamtlänge ist mit
4135 mm um 193 cm größer als der Radstand! In den Maßen ist der
Paralleltyp 904 (Carrera GTS) funktioneller, er hat 2,30 m
Radstand und ist 4.09 m lang, wovon etliche Zentimeter auf die
aerodynamische Frontverkleidung entfallen. Der Grund für den
langen Heck-Überhang des 901 liegt in der Anordnung des Motors
hinter der Hinterachse. Diese Anordnung musste beibehalten
werden, weil der gewohnte große Innenraum mit hinterer
Gepäckablage sonst nicht möglich gewesen wäre. Die für die
Gewichtsverteilung ideale Anordnung des Motors zwischen den
Achsen kommt leider für ein Reisefahrzeug nicht in Frage.
Das grazile Äußere ist nicht nur eine Geschmacksangelegenheit,
sondern sorgt auch für viel bessere Sichtverhältnisse als man
sie beim Typ 356 gewohnt ist. Die tiefere Gürtelline und die
höheren Fenster lassen nichts mehr von den Fortschritten
vermissen, die der Karosseriebau in dieser Beziehung gemacht
hat. Das gilt auch für die Sicht nach hinten: die geringe
Neigung wurde durch die große Fläche des Heckfensters
ausgeglichen, die Durchsicht ist genügend verzerrungsfrei.
Die
Sitze wurden sehr tief angeordnet - unserer Meinung nach etwas
zu tief. So ist zwar selbst
für extreme Sitzriesen
reichlich Kopffreiheit da, aber der Sichtwinkel nach vorn-oben,
der beim 356 zu klein ist, fiel hier größer aus als notwendig.
Eine etwas höhere Sitzposition würde auch die Handlichkeit
noch verbessern, weil das Lenkrad dann für den Fahrer tiefer
liegen würde. Sonst ist gegen die Anordnung des Lenkrades und
der Pedale nichts einzuwenden. Selbstverständlich lassen sich
die Sitze so weit zurückverstellen, daß man mit ausgestreckten
Armen fahren kann. In dem von uns gefahrenen Wagen fehlte noch
der Handgriff für den Beifahrer. Er ist an der Tür vor der
Armlehne vorgesehen; ein zusätzlicher Griff am Dachrand wäre für
dieses sportliche Auto wünschenswert. Die Pedale sollen noch
etwas mehr nach rechts versetzt werden, so daß der linke Fuß
zwischen Radkasten und Kupplungspedal voll ausgestreckt werden
kann. Die Handbremse wurde zunächst nach englischem Muster so
ausgelegt, daß sie ohne Knopfdruck einrastet. Weil diese
Handhabung bei uns unbekannt ist und beim Umsteigen
Schwierigkeiten bereiten würde, will man davon wieder abgehen.
"PORRSCH...!"
Das Geräusch, das einen nach dem Anlassen erwartet, ist das
wohlvertraute Geräusch luftgekühlter Porschemotoren. Da der
dämmende Kühlwassermantel fehlt, ist man - besonders im Leerlauf
- Ohrenzeuge etlicher mechanischer Vorgänge. Bei höherer
Drehzahl vermischt sich das alles zu einem dumpfen und durchaus
nicht unangenehmen Geräusch, dessen Lautstärke nach unserem
Eindruck nicht größer ist als bei den Vierzylindern - allerdings
auch nicht geringer. Bei hohen Geschwindigkeiten nimmt es nur
mäßig zu, sehr stark waren bei dem
Vorserienwagen dagegen die Windgeräusche. Die Fensterrahmen und
ihre Befestigung sollen deshalb noch völlig geändert werden. Der
Sog bei hohen Geschwindigkeiten übt bei schnellem Fahren Kräfte
von solcher Stärke aus, daß solide aussehende Metallteile völlig
ihre Form verändern.
Von außen hört man jenes "Porrsch", das besonders in südlichen
Ländern immer wieder Begeisterung auslöst, wenn es auch, weil
ein Konglomerat von Auspuff- und mechanischen Geräuschen, den
Typprüfungs-Verantwortlichen Phonsorgen bereitet. Die Anordnung
der Auspuffrohre ist noch nicht endgültig.
Bei jedem Auto macht der Motor den Charakter; beim Sportwagen
ist man
sozusagen
mit ihm verheiratet. Unsere Sorge, ob dieser erste Sechszylinder
des Hauses Porsche nach dem Krieg, ebenso zu begeistern vermag
wie seine Vorgänger (die sämtlich noch gebaut werden!), war
unbegründet. Nach wenigen Kilometern waren wir von dieser
Maschine überzeugt; nicht nur des Tones wegen, und nicht nur
weil sie so elastisch läuft, daß man im V. Gang mit 60 km/h
fahren kann, sondern auch wegen der außerordentlichen
Drehfähigkeit und des absolut Vertrauen erweckenden Laufes bei
hoher Drehzahl. Das Werk läßt heute 6.500 U/min als
Dauerdrehzahl zu und wird vielleicht eines Tages bis zu 7.000
U/min zulassen - das ist Musik in den Ohren der Leute, die mit
den Porsche Stoßstangenmotoren (freilich nicht mit dem Carrera)
Angst vor der Drehzahl haben müssen.
Dieser Motor hatte einen internen Vorgänger. Er war für gleiche
Drehzahlen gedacht und war ein Stoßstangenmotor. Man entschloß
sich dann, obwohl dieser Motor gesund lief, für die konstruktiv
reinrassigeren obenliegenden Nockenwellen - eine pro
Zylinderreihe. In Fachkreisen wurde von Problemen gemunkelt,
denn drei luftgekühlte Zylinder verhalten sich in ihrer
Wärmedehnung unter Umständen ungleichmäßig, so daß der
Zylinderkopf verzogen werden kann und, so wurde befürchtet, die
Lagerstellen der Nockenwelle nicht mehr fluchten. Mit diesen
Schwierigkeiten scheint man fertiggeworden zu sein, denn sonst
würde man nicht so unbedenklich auf hohe Drehzahlen gehen. Über
die Leistung ist mit 130 PS bei
6200 U/min anscheinend noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Wir halten es für möglich, daß sie noch auf 135 oder 140 PS
gesteigert wird.
Die achtfach gelagerte, wegen der Boxerbauweise des Motors sehr
kompakte Kurbelwelle muß ein Musterstück an
Steifigkeit
sein, und die mittlere Kolbengeschwindigkeit beträgt bei 7.000
U/min
erst 15,4 m/s. Hier kommen die prinzipiellen Vorzüge zum Tragen,
die ein solcher Motor hat -weder die Boxerbauweise noch die
sechs Zylinder sind ja bloße
Konstrukteurs-Marotten. Während man beim Vierzylinder des
Carrera 74 mm Hub und 92 mm Bohrung brauchte, um auf 1966 ccm
Hubraum zu kommen (Hubraum pro Zylinder ca. 490 ccm), konnte man
hier den sagenhaft kurzen Hub von 66 mm anwenden und kam mit 80
mm Bohrung auf ca 332 ccm pro Zylinder, mal sechs macht 1991
ccm. Das Hub-Bohrungsverhältnis ist stark unterquadratisch, was
der Elastizität im untersten Drehzahlbereich schaden würde, wenn
man nicht sechs Zylinder zur Verfügung hätte und außerdem auf
runden Lauf unter 1000 U/min getrost verzichten könnte.
Der von uns gefahrene Wagen hatte noch italienische Solex
Vergaser, die für die Lancia V6-Motoren bestimmt sind. Die
endgültige Ausführung enthält eine interessante Neuentwicklung
von Solex: Zwei Dreifachvergaser (also für jeden Zylinder ein
eigens Düsensystem), die je eine gemeinsame Schwimmerkammer
haben. Diese Schwimmerkammer bildet nicht mit den Düsensystemen,
sondern mit dem Ansaugrohr ein Gußstück! Das Ganze kostet nach
Angaben von Porsche nur etwa ein viertel von dem, was eine
Einspritzanlage kosten würde.
Vor der Hinterachse ist ein Fünfganggetriebe eingebaut, mit dem
der Fahrer dieses Wagens zwangsläufig ebenso verheiratet wird
wie mit dem Motor. Es ist nämlich im Schaltschema und in der
Abstufung anders ausgelegt als die bisher bekannten
Personenwagen-Fünfganggetriebe: der V. Gang ist nicht ein
gelegentlich benutzter Schongang, sondern ein normaler Fahrgang.
Er befindet sich im Schaltschema an der Stelle, wo man den IV.
Gang gewöhnt ist, entsprechend vertritt der IV. den III., der
III. den II. und der II. den I. Gang des normalen
Schaltschemas. Um in den I. Gang zu kommen, muß man den
Schalthebel nach links drücken und dann auf sich zu ziehen.
Die Sache ist nun nicht so gedacht, daß der I. Gang als
gelegentlicher Notgang benutzt werden soll. Er ist der
Anfahrgang, wenn auch das Schaltschema dazu verleitet, im II.
Gang anzufahren. Das geht zur Not, aber der II. Gang ist mit
einer Gesamtübersetzung von 7,46 bereits ein Fahrgang, er reicht
bis 110 km/h! Grundgedanke war, den Fahrbereich von 0 bis 210
km/h in fünf Gangbereiche einzuteilen, die sich jeweils so stark
überschneiden, daß praktisch in jeder Fahrsituation unter 190
km/h mindestens zwei, zumeist aber drei verschiedene Gänge zur
Verfügung stehen! Das ist das genaue Gegenteil von Automatik;
für Fahrer, die Spaß am Schalten haben, ist es eine tolle Sache.
Leute, die nicht gern schalten, werden gut zurechtkommen, da man
das Getriebe benutzen kann wie ein normales Vierganggetriebe.
Nur im Stadtverkehr müssen sie gelegentlich in den I. Gang
zurück, da der II. unterhalb von 15 km/h nicht mehr gut zu
gebrauchen ist. Der I. Gang ist zum Schrittfahren noch um eine
Kleinigkeit zu "lang", darum sollen die beiden unteren Gänge
noch höher übersetzt werden.
Ein Vergleich mit dem unten eng abgestuften Vierganggetriebe des
230 SL zeigt deutlich die ungewöhnlichen Möglichkeiten des
Porsche Fünfganggetriebes:
Die hier angegebenen Übersetzungen sind nicht unbedingt die
endgültigen, im Prinzip wird sich jedoch nichts ändern. Im V.
Gang, der ja kaum indirekter ist als bei anderen Autos der IV.
Gang, kann man auf Landstraßen und Autobahnen fast immer fahren.
Um - etwa beim Überholen - maximale Beschleunigung zu erzielen,
muß man dann unter Umständen beim Zurückschalten eine Stufe
überspringen. Im Straßenverkehr oberhalb 80 km/h kann gelten,
daß man als Beschleunigungsgang immer den III. Gang (er liegt
dort, wo beim gewöhnlichen Vierganggetriebe der II. ist)
verwendet, denn er reicht bis über 150 km/h, und unter 80 km/h
nimmt man den II. Gang. Auf der Autobahn genügt es fast immer,
aus dem V. in den IV. zu gehen - das kann man bei 120 ebenso tun
wie bei 160! Wie beim Abwärtsschalten kann man natürlich auch
beim Aufwärtsschalten einen Gang überspringen, wenn man nicht
gerade auf optimale Beschleunigung Wert legt.
Schäden durch Verschalten sind praktisch ausgeschlossen, denn
erstens ist die Reihenfolge normal (also nicht umgekehrt wie
beim Glas-Getriebe), und zweitens macht es nichts aus, wenn man
einmal (was anfangs vorkommt) aus dem I. Gang gleich in den IV.
statt in den II. schaltet. Der Wagen beschleunigt dann trotzdem,
wenn auch nicht so lebendig wie im II. Gang. Vom I. in den II.
Gang ist der Schalthebel durch Federdruck so geführt, daß er
praktisch von selbst richtig läuft und nicht in den
Rückwärtsgang geraten kann. Man
muss ihn locker anfassen, weil er (wie meist bei Heckmotorautos)
etwas Spiel hat. Die Schaltwege sind nicht überaus kurz, der IV.
Gang liegt etwas zu weit entfernt, aber dafür geht die Schaltung
leicht. Die Synchronisierung funktioniert hervorragend, auch bei
großen Drehzahlsprüngen sind die Gänge schnell hereinzubekommen.
Die enge Abstufung und die weiten Bereiche des III. und IV.
Ganges sorgen dafür, daß die
Motorleistung stets voll ausgenutzt werden kann. Es ist ganz
klar, daß der Wagen mit 130 PS hervorragende
Fahrleistungen erreichen muß. Eigene Messungen konnten wir nicht
machen, weil das Wetter zu schlecht und der Motor unseres Wagens
ein sehr frühes, in verschiedenen Details überholtes Exemplar
war. Wir stoppten auf nasser Straße ein Mittel von knapp über
200 km/h, aber ohne genügend langen Anlauf. Daß der 901 die 210
km/h Spitze, die das Werk angibt, erreichen wird, bezweifeln wir
angesichts der Leistungscharakteristik des Motor nicht. Im V.
Gang, der ja mit 3,64 keineswegs
den Charakter eines Overdrive hat, sind das knapp 6500 U/min,
und die erreicht der Motor mühelos. Mit entsprechenden Maßnahmen
auf der Ansaugseite (der Luftfilter kostet etwa 5 PS) dürften im
V. Gang 7000 U/min erreichbar sein, damit wäre der Wagen gut für
über 220 km/h. Für die Beschleunigung hier einige vorläufige
Angaben des Werkes, dazu zum Vergleich der Carrera 2 und der 230
SL:
Von allen drei Wagen kann man sagen, daß sie diese Leistungen
mit kultivierten Tourenmotoren erreichen, die man ohne
Schwierigkeiten im dichten Verkehr benutzen kann.
GERADEAUS UND UMS ECK
Der ganze Wagen ist darauf angelegt, ein komfortables
Reisefahrzeug zu sein. Darum wurde Wert auf einen ruhigen
Motorlauf, gute Geräuschdämpfung an Motor und Karosserie
(deshalb wird das Leergewicht zwischen 1000 und 1050 kg liegen)
und guten Federungskomfort gelegt. Aber ein Fahrzeug dieser
Klasse muß natürlich auch excellente Fahreigenschaften haben,
und um diese beiden Forderungen zu erfüllen, wurde ein völlig
neues Fahrwerk konstruiert. Vorn bekam der 901 eine
Einzelradaufhängung nach dem
McPherson-Prinzip: einfache Dreiecks-
Die Porsche-Form wurde durch eine tiefere Gürtellinie und höhere
Fenster abgewandelt. Der Winkel zwischen Vorderhaube und
Wind-schutzscheibe ist sehr flach und damit aerodynamisch
günstig. Am oberen Rand des Heckfensters sind Schlitze
angebracht, die durch den gelochten Dachhimmel den Innenraum
entlüften. Die hinteren Dreieckfenster sind ausstellbar. Die
Führung der Auspuffrohre und vielleicht die hinteren
Stoßstangenhörner werden noch geändert.
Querlenker, die
alle seitlich und längs gerichteten Kräfte aufnehmen, und ein
Federbein als zusätzliches Führungselement. Dieses Federbein
federt jedoch nicht, sondern es besteht nur aus einem
Teleskopstoßdämpfer, ist also ein "Dämpferbein". Die Federung
übernehmen längsliegende Drehstabfedern. Die Hinterräder sind an
leicht schrägstehenden Längslenkern einzeln aufgehängt, werden
durch querliegende Drehstabfedern gefedert und durch
Doppelgelenkwellen angetrieben. Bis auf die Drehstabfedern sind
die Aufhängungen denen des BMW
1800 sehr ähnlich (beide Konstruktionen entstanden etwa
gleichzeitig). Daß man den Umstand der Drehstäbe in Kauf nahm,
anstatt einfach Schraubenfedern einzubauen, mag mit den
Porsche-Haustraditionen zusammenhängen, wird aber auch damit
motiviert, daß man in dem sehr niedrig gebauten Wagen für
Schraubenfedern von ausreichendem Weg keinen Platz hatte. Alle
Räder stehen unbelastet leicht negativ, der Federweg ist von
Gummi-Hohlfedern begrenzt.
Der Federungskomfort ist für einen Wagen mit so kurzem Radstand
erstaunlich; selbst lange Bodenwellen werden ohne plötzliche
Vertikalbewegungen des Wagens und ohne Nickschwingungen
geschluckt. Der Wagen ist deutlich weicher gefedert als der
Carrera und die (weicher gewordenen) Modelle 356 C und SC.. An
der endgültgen Abstimmung wird noch gearbeitet, wobei es darum
geht, die jetzt noch auftretende Seitenneigung zu reduzieren.
Bei dem von uns gefahrenen, nicht mehr ganz dem heutigen
Entwicklungsstand entsprechenden Wagen machte sich die
Seitenneigung für die Insassen wenig bemerkbar, hatte aber beim
Wechsel von einer Kurvenrichtung in die andere, also in
Schängelkurven oder beim Wedeln, eine Schwenkbewegung des
Aufbaues zur Folge, die das Heck für einen Moment nach außen
drängte. Es kam dadurch beim Fahren mit Grenzgeschwindigkeiten
zu einer kurzen
Übersteuer-Reaktion,
besser gesagt einem "Heck-Lenken", das durch Gegenlenken
ausgeglichen werden mußte. Diese Reaktion trat auch bei
Gaswegnehmen auf, ähnlich wie bei einem Frontantriebswagen.
Künstlich konnte man sie erreichen, indem man den Wagen in der
Kurve leicht überzog; er ließ sich dann mit "Sägen" sehr gut
unter Kontrolle halten. Im übrigen verhielt sich der Wagen immer
untersteuernd; beim Kreisfahren ging er, wenn man zu schnell
war, gleichmäßig über die Vorderräder nach außen und war nicht
(wie der Typ 356) dahin zu bringen, daß er sich drehte.
Nachdem wir uns mit diesen Eigenschaften vertraut gemacht
hatten, machte es sehr viel Spaß, den Wagen an der Grenze zu
bewegen - selbst in 180 km/h-Kurven ließ er sich mit
entsprechender Dosierung von Gas und Lenkradbewegungen willig
dirigieren. Weit besser als beim Typ 356 war der Geradeauslauf
bei sehr hohen Geschwindigkeiten. Die leichte Nervosität auf
Autobahn-Geraden, die alle Porsche-Fahrer kennen, gibt es beim
901 nicht. Wenn 200 km/h auf dem Tachometer stehen,
läuft das Auto noch immer stur geradeaus und läßt sich durch
Anreißen der Lenkung nicht aus der Ruhe bringen. Über das
Verhalten bei Seitenwind konnten wir nichts feststellen, aber
man darf den Angaben der Porsche-Versuchsleute trauen, daß es
ebenfalls erheblich besser ist. In einigen Details des
Fahrwerkes werden bis zum Serienanlauf noch Änderungen kommen.
Wer die wissenschaftliche Gründlichkeit kennt, mit der man
Straßenlage-Probleme bei Porsche analysiert, kann nicht daran
zweifeln, daß ein gutes Ergebnis erreicht wird.
Die Lenkung ist im Gegensatz zum Typ 356 eine
Zahnstangenlenkung. Man merkt es daran, daß sie Fahrbahnstöße
deutlich signalisiert, aber auch sehr genau und feinfühlig ist.
Ähnlich wie die bisherige Porsche-Lenkung ist sie nicht überaus
leichtgängig und verlangt solide Haltekräfte in schnellen
Kurven, bereitet aber beim normalen Fahren und im Stadtverkehr
keine Mühe. Das wichtigste für die Lenkung eines schnellen
Wagens ist, daß man ihn bei hohen Geschwindigkeiten gut in der
Hand hat. Das trifft für die Lenkung des 901 zu.
An den Bremsen, die im Prinzip denen des 356 entsprechen (vier
Ate-Scheibenbremsen, hinten mit kleinen
Trommel-Feststellbremsen), wird noch gearbeitet. Bei dem von uns
gefahrenen Wagen bremsten sie sehr wirksam
und
gleichmäßig, erforderten aber bei hoher Geschwindigkeit zuviel
Pedalkraft. Der gegebene Weg wäre der Einbau einer
Servoeinrichtung, aber dafür fehlt es am Platz und auch am
Unterdruck, der schwer zu gewinnen ist, weil der Motor kein
Ansaug-Sammelrohr hat. Zur Zeit werden Beläge erprobt, die den
harten Werksanforderungen (man verlangt dreimalige Vollbremsung
aus 180km/h ohne Fading) gerecht werden und trotzdem weniger
Pedalkraft verlangen. Es wird auch daran gedacht, nach Wahl
normale oder Heavy-Duty-Beläge zu liefern.
Keine Frage, der neue Sportwagen, der ab Ende August in
Zuffenhausen produziert
wird,
ist eines der interessantesten Autos der Welt. Er ist
ausschließlich als Reisefahrzeug gedacht, nicht für den Gran
Turismo-Sport. Diese beiden Aufgaben hat Porsche folgerichtig
getrennt, und der Typ 904 als
Sportinstrument wird sicherlich später mit dem gleichen
Sechszylindermotor in einer schnellen Version ausgerüstet. Trotz
seinem zivilen Verwendungszweck bekam aber der 901 den
funktionellen Charakter, der ihm begeisterte Käufer sichern
wird. In diesem Punkt unterscheidet er sich deutlich vom 230 SL,
und noch stärker von viersitzigen Sportfahrzeugen wie dem Fiat
2300 S oder dem Alfa Romeo 2600 Sprint, die beide in die gleiche
Preisklasse gehören. In Preis und Leistung knüpft er an den
Carrera 2 an, den er ablösen wird, und liegt klar über den
Vierzylindermodellen. Aber man
erwartet von ihm höhere Stückzahlen als vom Carrera und rechnet
damit, daß viele Porsche-Käufer den Mehrpreis nicht scheuen
werden, um in den Besitz dieses reizvollen Autos zu kommen.
Vermutlich ist diese Rechnung richtig.
Reinhard
Seiffert
Auto-Motor-Sport 1964 Heft 8
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